Vermutlich wird es den meisten Lesern gehen wie zunächst auch mir. „Schön wär’s ja, aber das kann doch gar nicht funktionieren“ war das erste, was mir einfiel. Aber ich habe natürlich schnell bemerkt, dass ich wieder mal einen „ ... ja, aber ...“ Satz formuliert hatte. „Ja-aber-Sätze“ scheinen mir die typischen Gedankenkiller zu sein: „ Ja, aber das geht doch gar nicht...“, „ja, aber Du wirst doch nicht bestreiten wollen, dass...“, „ja, aber jedes Kind weiß doch ...“ – und so weiter. Bevor wir eine vermeintliche Gewissheit in Frage zu stellen bereit sind, einen ungewöhnlichen Gedanken weiterdenken, liefern wir uns selbst den Grund dafür, das Bestehende für das Selbstverständliche zu halten. Visionen von einer besseren Welt haben schließlich nur Träumer, Gutmenschen und Weltverbesserer. Das – da sind wir uns mit unseren Qualitätsmedien einig - sind Spinner, wir dagegen sind eher Realisten.

 

Glücklicherweise hast Du Dich von diesen Selbstbeschränkungen nicht bremsen lassen, und so ist eine durch und durch positive Geschichte entstanden. Du beschreibst eine Welt, die erfreulicherweise von lauter sympathischen Gutmenschen bevölkert ist. Das ist ungewöhnlich und – soweit ich das überblicken kann – auch einzigartig. Dein Roman ist eine echte positive Utopie, an der mich besonders beeindruckt hat, dass sie konsequent und kompromisslos sozusagen vom Ende her denkt. Du fragst nicht danach, wie wir die Welt vielleicht ein bisschen ändern können, schrittweise vielleicht. Hier ein paar Reformen, dort eine Beschränkung der schlimmsten Auswüchse, die Finanzmafia in die Schranken weisen und ein bisschen weniger CO2 in die Luft pusten. Da hättest Du alle sofort auf Deiner Seite gehabt. Stattdessen schaffst Du das Geld ganz ab, quasi von einer Minute auf die andere, und zeichnest eine Welt, in der die Menschen, befreit von den aussermenschlichen Zwängen einer Geldwirtschaft, sich wieder als Menschen gegenübertreten: verständnisvoll, empathisch, rücksichtsvoll, liebevoll. Plötzlich können sie im Anderen wieder den Menschen sehen und nicht den Konkurrenten, den Konsumenten, den Gegner im Kampf um Posten und Parkplätze.

 

Mit der Utopie hast Du die ideale Form dafür gefunden. Das schöne an einer Utopie ist ja, dass sie Gelegenheit bietet, neue Ideen auszuprobieren, Alternativen zum Vorhandenen „durchzuspielen“ – befreit von dem (vermeintlichen) Zwang zur „Nüchternheit“. In einer Zeit, in der gerne die angebliche Alternativlosigkeit der schmalspurigen, hektischen Reparaturbemühungen neoliberaler Ratlosigkeit beschworen wird, ist der ungezwungene, spielerische Umgang mit möglichen Alternativen zum Vorhandenen gleichermaßen erfrischend und erhellend. Die Welt, die hier beschrieben wir, ist nun alles andere als seltsam und ungewohnt oder übertrieben. Keine Befremdlichkeiten und Absonderlichkeiten behindern die Identifikation, es ist immer noch unsere Welt, nur eben eine ohne die religiös anmutende Anbetung eines immerwährenden Wachstums, ohne rumpelstielzchenhafte Beschwörung von Wettbewerb und Konkurrenzkampf, ohne neurotische Konsumzwänge. Diese Welt hat Ruhe und Genügsamkeit, Zeit und Gelassenheit, Freundlichkeit, Verständnis und Liebe.

 

Und das – seien wir ehrlich – ist das, was wir uns alle wünschen, wonach wir streben und worum wir uns alle bemühen – wenn wir nicht gerade mit Geldverdienen beschäftigt sind.

Das Geld steht zwischen uns und unseren wichtigsten Bedürfnissen. Zwischen uns und unserem Wunsch nach einem „guten Leben“ zwingt das Geld uns zu fragen: „Was kostet das?“, „kann ich mir das leisten?“, „rechnet sich das?“, „lohnt sich das?“. In dieser Welt sind Dinge, die nichts kosten, auch nichts wert. Ich vermute sehr stark, dass dieses Diktat, dem wir uns unterwerfen und das uns zwingt, in vorauseilendem Gehorsam unsere Sehnsüchte nach einem Leben jenseits des zerstörerischen Tanzes ums goldene Kalb aufzugeben, nicht wirklich zu brechen ist, solange wir dem Leitbild einer unendlichen Geldvermehrung folgen. Insofern ist Deine Utopie „realistisch“. Mit ein wenig herumdoktern am Geldsystem, Therapiezwang für Hedgefondsmanager oder mit Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft wird da nicht viel zu ändern sein.

 

So wie ich Dein Buch verstehe wird es gelingen können, wenn wir Menschen uns wieder auf die uns eigenen, die menschlichen Qualitäten besinnen. Im eigenen Interesse, und nicht, um die Fremdbestimmtheit durch das Geldsystem zu ersetzen durch die Fremdbestimmtheit einer aufgesetzten Moral. Dein Buch kann ja auch gerade deswegen so begeistern, weil es keinen Forderungskatalog, kein politisches Programm und keine neue Gesellschaftstheorie beschreibt. Es verkündet keine moralischen Appelle, kein erhobener Zeigefinger mahnt die Richtung an, die unser Denken gefälligst zu nehmen hat. Die Aufgabe des Buches ist es nicht, den Ausweg aus dem weltweiten Desaster neoliberaler Absurditäten zu beschreiben und Vorschläge zum Umgang mit den Problemen und Widerständen zu machen, die möglicherweise auftreten, wenn wir uns daran machen, alternative Wege zu beschreiten. Dann wäre es ein anderes Buch, vielleicht ein hervorragendes Sachbuch. Davon gibt es mittlerweile einige, die meiner Meinung nach sehr gut und sinnvoll und brauchbar und lehrreich sind. Deine Utopie kann etwas anderes: sie kann uns – wenn wir uns das Vergnügen gönnen, uns vorurteilsfrei auf deine phantasievollen Ideen einzulassen – auf unterhaltsame, anregende Weise konfrontieren mit unseren Ängsten und Sehnsüchten und uns zum Nachdenken über unsere Denkblockaden verführen. Und dann vielleicht auch Aufschluss geben über die Ursachen dieser Glaubenssätze, der eingefahrenen Denkmuster, der vermeintlichen Gewissheiten, die wir so gerne als die unseren ausgeben.

 

Ich habe den Verdacht, dass es ohne völlige Abschaffung dieses Geldsystems nicht gehen wird. Durch das Geld wird das Miteinander der Menschen vorgeformt. Geld verhindert selbstbestimmtes Handeln. Durch das Geld verliert dein Gegenüber sein reines Menschsein, es macht ihn zum Gewinner oder Verlierer, es ist Voraussetzung für Bewunderung oder Ablehnung. Bedürfnisse, Wünsche, Vorlieben, Abneigungen müssen sich rechnen oder müssen bezahlbar sein. Ob eine Sache gemacht wird hängt nicht davon ab, ob sie sinnvoll oder notwendig ist sondern davon, ob sie bezahlbar ist bzw. ob sie Rendite bringt. Man tut nicht etwas, weil man es gerne tut, sondern weil es sich verkaufen lässt – das Geld verhindert die Alternative. Darum finde ich es so erfrischend, dass in deinem Buch das Geld einfach verschwindet. Alle bisherigen Entwürfe zu alternativem Handeln in einer auf den Kollaps zusteuernden Welt halten beharrlich am Geld fest und kritisieren allenfalls die Auswüchse (Zinssystem, geldgeile Finanzhaie, korrupte Politiker) oder entwerfen Ersatzgeld. Warum eigentlich? Geld ist doch kein Naturereignis. Solange das Geld bestehen bleibt, zwingt es mich, mein Leben darauf auszurichten, es einzunehmen, damit ich es wieder ausgeben kann. Das ist nicht nur irgendwie absurd, das ist doch alles andere als ein selbstbestimmtes Leben. Ich bin frei in meinen Entscheidungen – es sei denn, ich habe kein Geld.

 

 

Stellen wir uns doch mal vor, ob die Welt, wie sie dann aussähe, nicht eine mit Lebensqualität, Lebensfreude wäre. Sicher eine Lebensqualität, die auf etwas anderem beruhte als auf dem Kontostand. Auf was müssten wir verzichten, wenn es kein  Geld mehr gäbe? Auf all das, was es nur deswegen gibt, weil es Geld gibt. Das bedeutet, nichts und niemand würde wirklich fehlen. Also: wer oder was hindert uns, mal darüber nachzudenken, ob wir nicht sehr gut darauf verzichten können.

Und was es dann stattdessen gäbe, ist in deinem Buch ansatzweise sehr schön und eindrucksvoll beschrieben.

 

Geld wird ja gerne als reines Tauschmittel verharmlost und seine unbedingte Notwendigkeit daraus erklärt. Ich denke, wenn es so wäre, ließen sich auch andere Varianten finden. Nein, wer von Geld spricht, muss Begriffe wie Kredit und Schulden, Eigentum und Rendite immer mitdenken. Und „ewiges Wachstum“, das ist die unabdingbare Voraussetzung. Und ich habe noch niemanden gefunden, der mir glaubhaft versichern konnte, dass in unserer endlichen Welt ewiges Wachstum ohne Zerstörung unserer Lebensgrundlagen funktionieren kann. Die daraus resultierenden Probleme muss ich hier nicht aufführen, wir kennen sie alle.

 

Eine Utopie ist die gedankliche Vorwegnahme einer möglichen (in deinem Buch einer besseren) Zukunft. Ist eine Zukunft wie von Dir erdacht, überhaupt möglich oder ist sie völlig unrealistisch, wenn man daran denkt, dass wir Bewohner eines wohlhabenden Landes

zum einen die Probleme ja kennen (wir wissen, dass unser Reichtum hier zur Armut dort führt, dass wir die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zerstören) und trotzdem keinerlei Neigung zeigen, an unserem Lebensstil etwas zu ändern,

zum anderen eine Gesellschaft ohne Konkurrenzkampf, Leistungsdruck, Ungerechtigkeit und Ungleichheit im Prinzip natürlich auch viel besser fänden, aber nicht an deren Verwirklichung glauben, da der Mensch ja nun mal leider nicht so gebaut ist. Neid, Gier und andere böse Eigenschaften sind nun mal natürliche Eigenschaften des Menschen und daran wird sich nichts ändern lassen.

 

Dein Buch ist zwar weder ein Lebensratgeber noch eine Handlungsanleitung für Weltenretter, aber es finden sich im Verlaufe der Handlung doch eine Vielzahl von sehr interessanten und bedenkenswerten Vorschlägen, die mich zum Weiterdenken angeregt haben. Auch Deine Hinweise auf die zahlreich bereits heute existierenden Projekte praktischer Erprobung alternativer Formen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens waren Anknüpfungspunkte.

 

Von Anfang an werden wir darauf programmiert, dem Modell des „homo oekonomicus“ zu entsprechen. Unsere Wohlstandsökonomie ist nicht die Antwort auf die natürlichen Bedürfnisse des Menschen sondern der moderne Wohlstandsbürger ist das Produkt dieser kapitalistischen Ökonomie. Wir haben uns diesem Modell perfekt angepasst und leben  danach. Für die auf Konsum angewiesenen Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten zahlen wir gerne den Preis (sofern wir auf der Gewinnerseite stehen) bzw. resignieren (sofern wir auf der Verliererseite stehen). Gemessen an denen, die uns die Regeln machen, sind wir zwar auch Verlierer, aber solange es (meist außerhalb unserer Sichtweite) viele andere gibt, die deutlich größere Verlierer sind, dürfen wir uns als Gewinner fühlen. Der Preis ist der Verlust von Zeit, Muße, Ruhe, Gelassenheit, Phantasie, Entwicklungsmöglichkeiten...

 

Wer in einem solchen System von Leistungszwang und Selbstoptimierung steckt, hat kaum Zeit, Kraft und Energie, um zu wirklicher Ruhe und Besinnung zu kommen. Da ist kaum noch Platz für die Entwicklung von Mitgefühl und Selbst-Mitgefühl. Stress- und Angstsituationen, die heute ja schon in der Schule zunehmend zu beobachten sind, lassen keinen Raum für positive Gefühle mir selbst und meinen Mitmenschen gegenüber, Abhängigkeiten verhindern Resonanzerfahrungen mit anderen Menschen. Natürlich haben wir hin und wieder auch ein schlechtes Gewissen, aber das Quantum Mitgefühl und Nächstenliebe, das uns verblieben ist, reicht nicht aus, um wirklich praktisch zu werden. Ich denke, in Deinem Buch hast Du den entscheidenden Hinweis gegeben: Die Voraussetzung für Nächstenliebe (und dann vielleicht auch mal für Übernächstenliebe und für Entferntenliebe) ist Selbstliebe. Wenn ich mich selber nicht liebe, kann ich andere nicht lieben. Woher soll denn die Energie dafür denn auch kommen, die ja erst entsteht, wenn es mir gut geht. Die positiven Energien, die ich „nach außen“ abgebe, sind irgendwann verbraucht, wenn ich sie durch Selbstliebe nicht immer wieder auflade. Hast Du genug Selbstliebe, kannst Du davon was abgeben. Gibst Du immer nur ab, landest Du bei Erschöpfung, Depression, Burnout usw., wir kennen das. Ob es einem Menschen gut geht, hängt nicht von äußeren Faktoren ab. Macht man es vom Konsum abhängig, wird man fortwährend damit beschäftigt sein müssen, Geld zu verdienen, denn Konsum will Geld.

Die Entwicklung von Selbstliebe braucht etwas Zeit. Es gehört dazu, dass man alles an sich und in sich anzunehmen lernt bzw. übt, ob man es nun gerade mag oder nicht. Sich selbst annehmen, wie man ist, sich selbst mit allem akzeptieren, auch mit dem, was einem  möglicherweise gerade nicht so gefällt.

 

Ich finde Deine Hinweise in diese Richtung deswegen so wichtig, weil ich glaube, dass jeder auf diesem Weg zu der Ruhe und Gelassenheit und Sicherheit finden kann, die die nötige Freiheit geben, um selbstbewusst und selbstbestimmt eigene wirksame Beiträge zur Lösung beizutragen. Es wächst vermutlich exponentiell die Fähigkeit, sich von Fremdbestimmtheit zu lösen, Konventionen hinter sich zu lassen und eigene vermeintliche Gewissheiten in Frage zu stellen.

 

Die Menschen in Deinem Buch scheinen sich widerspruchslos in der geldlosen Zeit zurechtzufinden. Das war mir sympathisch. Du schilderst es ja auch als die Befreiung von den Zwängen der Geldgesellschaft, die es ja eigentlich auch sein müsste. Aus heutiger Sicht erscheint diese Leichtigkeit, mit der die Umstellung angenommen wird, fast wie eine Provokation, denn Du problematisierst an keiner Stelle die Tatsache, dass natürlich auf vieles, was unseren heutigen Lebensstandard ausmacht, verzichtet werden muss. Nur dass Du es nicht als Verzicht sondern als Gewinn ausgibst. Starker Tobak, aber ein guter Ansatzpunkt, um darüber nachzudenken, ob die Gewinne den Verlust der Segnungen des Konsumfetischismus Wert sind. Dafür spricht vieles.

 

Und was ist mit den negativen Eigenschaften des Menschen? Neid, Gier, Hass? Du tust so, als gäbe es sie nicht. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das nicht die Akzeptanz deiner Idee oder auch nur die Bereitschaft, weiter darüber nachzudenken, verhindern könnte. Folgendes ist mir dazu eingefallen:

 

So wie viele Argumente gegen die Idee einer Welt ohne Geld ausschließlich deswegen plausibel erscheinen, weil man damit das Regelsystem der Geldgesellschaft nicht verlässt (die Frage, wie man denn seine Brötchen bezahlen soll, wenn es kein Geld mehr gibt, erübrigt sich ja, wenn man Brötchen bekommt, ohne dafür bezahlen zu müssen), so ignoriert die Vermutung, so eine ideale Welt würde nicht funktionieren, weil der Mensch von Natur aus gierig sei, die Tatsache, dass die Gier erst durch das Geldsystem entsteht. Worauf sollte ich gierig sein, wenn es kein Geld mehr gibt, auf wen sollte ich neidisch sein? Wofür sollte man Kriege führen, wenn das mit dem Geld verbundene Machtstreben keine Grundlage mehr hat? Womit könnte man junge Menschen bestechen und verführen, für das Machtstreben und die Geldgier einiger weniger Psychopathen in den Krieg zu ziehen, wenn – um den Gedanken auszuweiten – die Masche mit der Einteilung der Menschen in „Gute“ (das sind immer wir) und „Böse“ (das sind immer die anderen; und auf deren Seite ist es genau so) nicht mehr greift, weil das Modell des „entweder-oder“ abgelöst wurde durch das „sowohl-als auch“?

Niemand würde behaupten wollen, dass es in einer geldlosen Gesellschaft keine Schurken mehr gibt, auch Gier und Neid und Hass werden nicht verschwunden sein. So etwas gehört zum Menschsein dazu. Aber die Voraussetzungen dafür werden sich geändert haben, der Umgang damit wird ein anderer sein. Wenn Menschen ein von Mitgefühl und Nächstenliebe dominiertes Miteinander pflegen, wenn Profitdenken nicht mehr mittelbar und unmittelbar mitspielt beim Umgang mit antisozialem Verhalten, wenn Machtdenken, Imponiergehabe und Hierarchien ausgeschaltet sind und – nicht zuletzt – wenn Gelassenheit und vor allem viel Zeit völlig neue Formen der Behandlung und Bewältigung von Konflikten ermöglichen, dann könnten doch – wie ich finde – andere Formen und Wege des Umgangs mit diesen unabänderlichen Elementen des Menschseins machbar sein.

 

Andererseits gibt es doch überhaupt keinen Grund, nur auf die negativen menschlichen Eigenschaften zu schauen. Schließlich ist der Mensch von seinem Wesen her ein Gemeinschaftswesen, seine Fähigkeit und Bereitschaft zur Kooperation hat letztlich immer die dominierende Rolle gespielt - sonst hätte er nicht bis heute überlebt. Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen durchaus in der Lage sind, freiwillig zu einen friedlichen und freundlichen Umgang miteinander zu finden. Wem sollte es ein Anliegen sein, zu propagieren, dass Menschen unfähig dazu seien. Doch nur denen, die ein Interesse daran haben, diesen Glauben in den Köpfen zu verankern, weil Krieg für sie immer eine Option ist und sie sich die Möglichkeit offen lassen wollen, dass friedliche Menschen sich bereit finden, ihre ebenso friedlichen Nachbarn umzubringen, weil diese plötzlich für „böse“ erklärt werden.

 

Die tägliche Erfahrung haben wir alle gemacht und machen sie immer wieder: Menschen handeln vernünftig und schaffen eigenständig vielfältige Formen eines friedlichen Miteinanders, wenn man sie lässt. Menschen haben ein deutliches Gespür dafür, wie man mit Würde, Anstand und Respekt seinen Mitmenschen gegenübertritt. Voraussetzung ist, dass man ihnen kein künstliches System von Verknappung und Leistung und Konkurrenz und Arbeitshetze und Zeitdruck und Existenzangst in den Weg legt. Wir sagen „schön wär’s, aber der Mensch ist nicht so“. Aber wir, die wir das meinen, sind doch auch ein Mensch, und sind wir nicht durchaus fähig, ganz genau zu wissen, was richtig und falsch ist?  Wieviel des antisozialen Verhaltens, das wir oft beklagen (bei den anderen, die ja vermutlich ähnlich denken – Psychopathen wieder mal ausgenommen) wird erst produziert durch die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten dieser Welt. Wenn wir schon bei den Grundeigenschaften des Menschen sind: wenn man Menschen ungerecht behandelt, wenn man sie erniedrigt, ihrer Würde beraubt, sich auf ihre Kosten bereichert, sie in Hilflosigkeit zwingt, sie in ihrer persönlichen Entwicklung hemmt, – ja, dann werden sie möglicherweise antisozial, gewaltbereit. Systeme der Macht/des Geldes funktionieren nach dem Prinzip Befehl-Gehorsam, d.h. durch Drohung und Angst. Dort, wo Menschen sich in freier Selbstbestimmung gegenübertreten, können sie ihre Möglichkeiten zu vernünftigem und rücksichtvollem Miteinander umsetzen. Das Geldsystem dagegen belohnt Rücksichtslosigkeit.

 

Wir kennen doch die Grundprinzipien, wir lehren sie schon unseren Kindern. Wir erklären ihnen, dass sie rücksichtvoll sein sollen, dass sie teilen sollen, dass ein Unrecht das andere nicht aufhebt. „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu“. Na also, geht doch.

 

Deine angedeuteten Ideen für eine neue Pädagogik finde ich sehr bedenkenswert. In Deiner Welt ohne Geld machen die Kinder entwicklungsgerechte Erfahrungen. Das Hauptfach ist das erlernen sozialer Fähigkeiten. Die Regeln dafür werden nicht aufoktroyiert, sie werden erlernt durch das Zusammenleben. Die Kinder „verschwinden“ für eine Weile und kommen quasi als Erwachsene zurück – so habe ich das verstanden. Das verstehe ich wie eine Art Initiationsritus. Ja, da haben wir es doch. Könnte sein, dass genau das der heutigen Zeit fehlt. Wenn ich mir die Alphatiere, die Macher, die Machtmenschen so anschaue, habe ich meist das Gefühl, dass die nie wirklich erwachsen geworden sind. Immer noch das gleiche kleinliche Machtgehabe, das die Umwelt zerstört, Krieg, Armut und Hunger in Kauf nimmt oder gar initiiert, aber von sich behauptet, vernunftbegabt zu sein und rational zu entscheiden. Stimmt, von solchen Spukgestalten darf man keine positive Resonanz auf die Forderung nach mehr Liebe erwarten. Diese Art von Liebe entzieht sich ihrer Zurichtung zur Handelsware. Für alle anderen ist es nicht nur ein Vergnügen, Dein Buch zu lesen, es gibt auch Stoff zum weiter“spinnen“. Für mich das Gebot der Stunde: Selber denken. Wer nicht selber denkt, landet bei Ideologen und Propagandisten. Dann tut er Dinge, die er nicht will – ohne es zu merken.

 

Ja, das ist für mich einer der positiven Aspekte des Buches. Der Elan, mit dem Du ein Modell für eine ganz andere Möglichkeit des menschlichen Miteinanders entwirfst. Solange es ein Modell unter Beibehaltung des Geldes wäre, wäre es nicht wirklich anders. Mutig von Dir, es bei skizzenhaften Beispielen zu belassen. Man kann und muss nicht für alle Probleme gleich eine fertige Lösung parat haben. Lösungen in einer Welt wie der von Dir beschriebenen zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie im gemeinsamen Handeln der Menschen entwickelt werden. Keine neuen Hierarchien, die etwas vorgeben. Natürlich gäbe es viel weiterzudenken, das ist ja gerade das spannende: wie wird die „Logistik“ einer regionalen, gemeinwirtschaftlich organisierten Versorgung aussehen? Wie werden die unangenehmen Arbeiten verteilt, wer räumt den Dreck weg? Wie werden die Menschen mit der vielen Zeit, die sie dann ja haben, umgehen? Wie wird die technologische Entwicklung ressourcenschonend organisiert?

 

Wenn angesichts der Vision, den Träumen, der Utopie immer jemand gesagt hätte: „das geht doch gar nicht“ und wenn die Träumer, Visionäre, Utopisten sich immer davon hätten behindern lassen, säßen wir immer noch auf den Bäumen. Ich habe mir vor einiger Zeit mal ein Zitat aufgeschrieben, aber leider vergessen, von wem es stammt. Ich schreibe es trotzdem, weil es hier passt:

„Was ich nicht träumen kann, kann ich nicht denken.

Was ich nicht denken kann, kann ich nicht wollen.

Was ich nicht will, kann ich nicht tun“.

 

Konsequent wie Du bist, hast Du auch einen lesenswerten Einblick in Dein spirituelles Denken gegeben. Hierbei mag Dir vermutlich nicht jeder folgen. Gleichwohl ist er faszinierend, denn er kündet von der freudigen Begeisterung der Autorin, die einen fast neidisch werden lässt, zeugt er doch von einer Lebenshaltung, die mitteilt: „wenn meine Lebenseinstellung und meine Überzeugung dazu führt, mich immer in der Schwingung der Freude zu halten, ist sie für mich richtig“. Da ist was dran. Was nützt einem die ganze Sachlichkeit, die Nüchternheit, die für alles einen Beleg braucht, die alles ins Reich der Esoterik und Spiritualität verbannt, was nicht wissenschaftlich „abgesegnet“ ist. Was nützt all das, wenn es nicht gleichzeitig auch die allumfassende Lebensfreude befördert.

 

Viele schöne Ideen und Vorschläge sind gemacht, viele weitere warten darauf, gehabt zu werden. Die besondere Fähigkeit des Menschen ist es ja, dass er sich in die Zukunft entwerfen kann. Wenn wir – bei aller berechtigten Begeisterung über das gute Leben im Wohlstand – manchmal das Gefühl haben, dass es da noch so einiges gibt, was man besser oder anders machen könnte, im Sinne von mehr Gerechtigkeit, Mitgefühl und Liebe, dann ist dieses Buch ein bemerkenswerter Anlass, jenseits möglicher Skepsis spielerische Gedankenexperimente zu wagen, ein Anlass zum selber Weiterdenken.